„Mir scheint, als wäre ich bunter geworden“

Lina Stawiarski nimmt am Tanzförderprojekt SOMMERTANZ Junge Talente 2010 teil
 
Faulenzen, mit Freunden ´rumhängen, ein bisschen Geld verdienen oder mit der Familie in Urlaub fahren, so sehen heute die Ferien für die meisten Teenager aus. Nicht so für Lina Stawiarski aus Wipperfürth. Sie durfte dieses Jahr bei dem Projekt SOMMERTANZ mitmachen und während der ganzen Sommerferien professionell tanzen.

 Es ist der 26. August 2010. Schon seit 18.30 Uhr füllt sich die Börse in Wuppertal – eine Kultur- und Weiterbildungsinstitution. Niemand will die Premiere verpassen. Nach und nach nehmen alle ihre Plätze ein und der Raum verdunkelt sich langsam. Schon beim ersten Klang der Musik werden die Zuschauer in den Bann der 13 Tänzer und Tänzerinnen auf der Bühne gezogen. Hochkonzentriert, stolz und glücklich zeigen die jungen Tänzer, was sie in den sechswöchigen Sommerferien gelernt und erarbeitet haben.
13 junge Menschen – 4 Jungen und 9 Mädchen – alle völlig unterschiedlich und dennoch haben sie alle etwas gemeinsam: sie lieben das Tanzen. Und sie haben es unter die Besten bei dem Projekt SOMMERTANZ Junge Talente 2010 geschafft.
Die ganzen Sommerferien durften sie täglich ein intensives Tanztraining mit professionellen Tänzern absolvieren. Unter dem Motto „Mir scheint, als wäre ich bunter geworden“ entwickelten sie mit renommierten Choreographen ihre eigenen Choreographien, die sie ab Herbst 2010 in ganz NRW aufführen werden.

Zu den Glücklichen, die es in die Endauswahl geschafft haben, gehört auch die siebzehnjährige Lina Stawiarski aus Wipperfürth. Sie tanzt schon seit ihrer frühen Kindheit und träumte schon lange davon, bei dem Projekt SOMMERTANZ mitmachen zu dürfen, welches unter anderem dazu dienen soll, dass die Jugendlichen sich mit ihrer Vorstellung vom Leben, ihren Träumen und Wünschen und ihrer beruflichen Zukunft auseinandersetzen können. So war auch einer der diesjährigen Choreographen, Charlotte Arndt, im Jahr 2004 eine Teilnehmerin bei SOMMERTANZ. Sie machte nach SOMMERTANZ eine Ausbildung zur Bühnentänzerin und entwickelt seit 2008 auch eigene Choreographien.

Auch Lina konnte sich vorstellen, professionelle Tänzerin zu werden, doch dieser Wunsch war noch nicht endgültig. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf und dem Wunsch mal an einem professionellen  Tanztraining teilzunehmen, fuhr sie im Frühling 2010 zum Casting nach Solingen und wurde sofort in die zweite Qualifikationsrunde gewählt. Einfach glücklich und unheimlich erleichtert sei sie danach gewesen. Dieses Glücksgefühl wich jedoch am Abend vor der zweiten Qualifikationsrunde. Doch ihre Nervosität war völlig überflüssig, denn auch die zweite Qualifikationsrunde meisterte sie mit Bravour und kam in die Endauswahl. Auf sie warteten nun sehr anstrengende, aber auch einmalige Sommerferien. Als weitere Informationen und auch ein Vertrag, in dem sie sich verpflichtete täglich zum Training zu erscheinen, in ihren Briefkasten flatterten, begann sie zu realisieren, was sie geschafft hatte und fieberte den Sommerferien noch mehr entgegen.

Endlich war es soweit! Schon nach dem ersten Tag in der Wuppertaler Börse war klar, diese Ferien würden etwas ganz Besonderes. Mit den anderen Teilnehmern verstand sie sich auf Anhieb gut. Das war ihr und allen anderen besonders wichtig, denn sie mussten in den nächsten sechs Wochen alle Höhen und Tiefen – und davon gab es mehr als genug – gemeinsam durchstehen.

Alle waren mit ganzem Herzen dabei. Morgens stand Tanztraining auf  dem Plan. Zusammen mit bekannten Tanztrainern wie Geraldo Si, Nadja Varga und vielen weiteren wurde an der Technik eines jeden gefeilt und mit vielen verschiedenen Übungen die Körperwahrnehmung verbessert. „Wie kann ich meine Wirbelsäule gerade aufrichten, ohne dass ich sie dabei sehe? Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, doch jetzt weiß ich, wie das geht, und habe insgesamt eine bessere Körperbeherrschung bekommen“, so beschreibt Lina ihre Erfahrungen aus dem Tanztraining. Während des Tanztrainings entstand auch das Motto des diesjährigen Projekts SOMMERTANZ. Bei einer Übung sollten sie ihre Gefühle mit Farben beschreiben und diese auf einem Zettel notieren. Anschließend musste sich jeder ein Motto für SOMMERTANZ ausdenken, doch Lina fiel kein Motto ein. Durch Zufall wurde ihr Satz „Mir scheint, als wäre ich bunter geworden“ auf einem der Zettel aus der vorherigen Übung entdeckt und prompt zum Motto für dieses Jahr gewählt.

 In einer zweiten Trainingseinheit am Vormittag wurden verschiedene Tanzstile wie Ballett oder Hip-Hop getanzt. Schwitzend, müde, aber glücklich verbrachten alle gemeinsam die anschließende Mittagspause. „Das Essen mag ja sehr gesund gewesen sein, aber auch sehr gewöhnungsbedürftig.“ Mit dem Wissen, dass sie vor acht Uhr abends nichts bekommen würde, schaffte Lina es dennoch so viel zu essen, wie es ihr laut eigenem Gefühl noch nie möglich war.
Nachmittags wurde dann mit den Choreographen geprobt. Sie lernten und entwickelten ihre eigenen ganz neuen Choreographien. Zusammen mit Lina Steiniger dachte Lina Stawiarski sich eine individuelle Kurzchoreographie aus, die später in die gesamte Choreographie eingebaut wurde. Mit strahlenden Augen erzählt sie im Nachhinein von ihrem eigenen Tanz. Hier konnte sie sich so ausdrücken, wie sie sich fühlte und was sie bewegte.

Aber in der zweiten Woche erfuhren ihre tollen Ferien einen vorübergehenden Dämpfer. Nachdem sie eine Unterrichtsstunde abbrechen musste, da ihr schlecht und schwindelig war, wurde sie richtig krank und konnte eine Woche lang nur das Bett hüten.
Wieder gesund zog sie für den Rest der Ferien nach Wuppertal. Die Teilnehmer waren zu einem echten Team zusammengewachsen, und Lina konnte bei ihren neuen Freunden unterkommen. „Erst wohnte ich bei Marie, dann bei Lisa, bis ich schließlich noch zu Bekannten meiner Mutter umzog.“ Jeder wollte jedem helfen. Umso schrecklicher war es für das gesamte Team, als Lucie beim Tanzen die Kniescheibe versprang und sie für den Rest der Ferien nur noch sehr, sehr eingeschränkt mitmachen konnte. Alle fühlten mit ihr, war es doch einmalig bei SOMMERTANZ teilnehmen zu dürfen.

 Trotzdem musste hart weiter trainiert werden. Nachdem sie die ersten beiden Wochen alle gemeinsam bei Nadja Varga an einer Choreographie gearbeitet hatten, wurden sie für die dritte und vierte Woche zwischen Sebastijan Gec und Paul Hess aufgeteilt. Lina landete bei Sebastijan. Zu einem Medley von „Woven Hand“ entstand in dieser Zeit eine wunderbare Choreographie.

Morgens das Tanztraining, nachmittags die Arbeit an der Choreographie, Lina war froh, wenn sie abends in ihr Bett fallen konnte. Sie ist eigentlich nicht der Typ, der schon früh ins Bett geht, doch jetzt war es nicht verwunderlich, dass sie direkt nach dem Abendessen todmüde einschlief und sich am nächsten Morgen erst überwinden musste aufzustehen. „Ich war einfach total k.o.,“ erinnert sie sich.

Und es war noch lange nicht zu Ende. Für die letzten beiden Wochen  wurde die ganze Gruppe erneut aufgeteilt. Die eine Hälfte kam zu Eric Trottier, die anderen, unter anderem auch Lina, probten mit Charlotte Arndt. Eigentlich war sie ganz froh zu Charlotte gekommen zu sein, denn in gewisser Weise gefiel ihr diese Choreographie besser als die von Eric. „Das ist irgendwie eine Art Hühnertanz, aber voll toll. Wir bekommen lange Wimpern aufgeklebt und bunte Kostüme,“ schwärmte sie von diesem Tanz, auch wenn sie ihn doch etwas verrückt fand.

Viel zu schnell ging die schöne Zeit vorbei und die Premiere stand vor der Tür. Schon bei der Generalprobe flossen die ersten Tränen bei dem Gedanken, dass schon alles vorbei sein sollte. Kurz vor der Premiere heulten alle mehr oder weniger und die Maske hatten alle Hände voll zu tun, damit die Schminke nicht zu sehr verlief. Es wurde doch noch eine atemberaubende Vorstellung. Darüber war selbst die Traurigkeit fast ganz verflogen. Schließlich standen noch einige Trainingswochenenden und viele Aufführungen auf dem Plan. Man würde sich also noch öfters wiedersehen!

 Lina wird diese Zeit immer in guter Erinnerung behalten. Dennoch ist sie sich nicht sicher, ob sie wirklich Profitänzerin werden will. Sie hat Angst, dass sie sich im Alter einen neuen Beruf suchen müsste, wenn ihr Körper nicht mehr so beweglich und fit ist. Trotzdem hat sie in den Ferien viel gelernt. Sie hat mehr Muskeln und eine bessere Körperbeherrschung bekommen und hat das Gefühl insgesamt fitter geworden zu sein. Auch weiß sie jetzt, dass sie wirklich gut Tanzen kann und dass sie, falls sie ihre Meinung noch ändert, Profitänzerin werden könnte.
Alles in allem war es eine großartige, aber auch anstrengende Zeit, die ihr einen guten Einblick in den Beruf des Tänzers gegeben hat und in der sie viele neue Freunde gefunden hat, die ebenfalls so leidenschaftlich gerne tanzen wie sie.