Die deutsch-französische Freundschaft am EvB - Der Jahresrückblick
Seit über 30 Jahren pflegt die Hansestadt Wipperfürth eine Städtepartnerschaft mit Surgères in Frankreich. Aber schon lange davor legten Lehrerinnen und Lehrer beider Länder den Grundstein für eine Schulpartnerschaft, die maßgeblich zum deutsch-französischen Dialog zwischen dem Oberbergischen und der Atlantikküste beigetragen hat.
Doch in den letzten Jahren ist es etwas stiller geworden. Während das EvB sich weiterhin um die Wiederbelebung des Austauschs bemüht hatte, war das Interesse am deutschen Nachbarn von französischer Seite gesunken. Aber mit dem Schuljahr 2018/2019 ist uns durch das Engagement von Lehrer_innen, Eltern und vor allem Schüler_innen auf beiden Seiten ein Neustart gelungen. Und so haben wir mit einer hochmotivierten Gruppe von Schüler_innen aus den Jahrgangsstufen 7-EF in diesem Schuljahr teilgenommen.
Nach intensiven Vorbereitungen erfolgte Ende November 2018 der ersehnte Besuch unserer französischen Freund_innen aus dem Collège Hélène de Fonsèque in Surgères. Neugier und Aufregung bestimmten die ersten Tage, schließlich war das für die meisten Beteiligten der erste bilaterale Schüleraustausch. In der Vorweihnachtszeit nutzten wir die Gelegenheit, unseren Gästen die Domstadt Köln zu zeigen, beschäftigten uns in Bonn mit der deutschen Geschichte und gewährten unsere Freund_innen einen Einblick in das deutsche Schulsystem.
Insgesamt war es eine sehr gelungene und erkenntnisreiche Woche und ein schöner Auftakt zur Wiederaufnahme unserer deutsch-französischen Beziehungen. Für beide Seiten steht fest, dass wir an der Fortführung des Austauschs in den kommenden Jahren festhalten.
Darüber hinaus macht sich die Fachschaft Französisch stark für weitere Programme im Individualaustausch nach Frankreich, Québec (Kanada) oder in die Schweiz. Bei Interesse steht Ihnen unser Ansprechpartner, Herr Dr. Links (frank.reza.links[ät]evb-gymnasium.de) gerne zur Verfügung.
Nach unserem Gegenbesuch in Frankreich vor den Osterferien ist ein Reisebericht entstanden, der gerne hier nachgelesen werden kann.
Vom Oberbergischen an den Atlantik:
Ein Reisebericht
Puh: Unsere Reise nach Surgères begann richtig früh! Um viertel nach sechs machten wir uns von Wipperfürth mit einem Kleinbus auf den Weg zum Kölner Hauptbahnhof, wo dann der Thalys nach Paris auf uns wartete. In Frankreichs Hauptstadt angekommen, nahmen wir die Métro zur Gare de Montparnasse. Dank einer kurzen Aufenthaltszeit konnten wir die Tour Montparnasse besteigen und genossen somit einen grandiosen Blick über ganz Paris. C’était génial! Doch bald schon mussten wir unsere Reise fortsetzen. Schließlich wollten wir ja endlich bei unseren Austauschpartner_innen in Surgères sein. Der französische Schnellzug TGV brachte uns sodann in Wipperfürths Partnerstadt, wo uns unsere Gastfamilien herzlichst empfingen.
Unser erster Tag in Surgères
Unser erster Tag in Frankreich war excellent. Am Morgen gingen wir alle zur Schule. Wir erfuhren, dass der Unterricht in unserem französischen Partner-Collège in der Regel um 7:55 Uhr beginnt und um 16:30 Uhr endet. Also, fast wie am EvB. Uns fiel gleich auf, dass die Schulglocke ein bisschen wie Entspannungsmusik klingt und viel leiser ist als bei uns. Das fanden wir sehr angenehm.
Zunächst zeigte man uns das Schulgelände. Unsere Austauschpartner_innen hatten alle einen kleinen Text vorbereitet, um uns einen bestimmten Teil des Schulkomplexes zu zeigen. So erfuhren wir, dass das Collège Hélène de Fonsèque einen eigenen Schulgarten hat und die Schüler_innen lernen, selbst Gemüse, Obst und Blumen anpflanzen. Auch die Mensa war viel größer, als wir das aus Deutschland kennen. Aber kein Wunder: Das Collège befindet sich in einem Schulzentrum, wo es noch ein Lycée (das ist die Oberstufe in Frankreich) und eine Berufsschule, ein Lycée Professionnel, gibt. Echt riesig! Denn so erinnert alles an einen Campus, der mit Wegweisern beschildert ist.
Nachdem wir alles besichtigt hatten, gingen wir gemeinsam zu einem offiziellen Empfang beim stellvertretenden Bürgermeister. Er hieß uns herzlich Willkommen und war sehr froh, dass der Austausch nach langer Pause wieder stattfand. Obendrein konnten wir uns dort mit Kuchen und Saft stärken.
Im Anschluss lernten wir in deutsch-französischen Tandems die Stadt Surgères näher kennen. So gingen wir zum Beispiel ins Zentrum, besichtigten die romanische Kirche und entdeckten eine alte Telefonzelle aus Deutschland, welche Wipperfürth ihrer Partnerstadt geschenkt hatte. Es war sehr aufschlussreich zu sehen, was die kleine Stadt in der Charente zu bieten hat.
Am Nachmittag hatten wir Freizeit mit unseren Gastfamilien, in denen wir viele unterschiedliche Aktivitäten unternahmen. Einige von uns gingen zum Fußballtraining, andere besuchten eine andere Stadt wie zum Beispiel Rochefort.
Unser erster richtiger Tag in Frankreich war impeccable!
Ein Tag am Collège Hélène de Fonsèque - Unterricht à la française!
Bevor der Unterricht begann, musste jede_r Schüler_in das Schulgelände durch ein von Aufsichtspersonen, den surveillants, bewachtes Tor betreten. Das gesamte Gelände ist nämlich eingezäunt. Die deutschen Schüler_innen bekamen Mentor_innen und waren in verschiedenen Klassen untergebracht. Gleich zu Beginn der ersten Stunde stellten wir einen Unterschied zum deutschen Schulsystem fest: Die Schüler_innen müssen die Lehrkräfte stehend begrüßen. Aufgrund von mehreren Kursfahrten gab es keinen regulären Unterricht und die Kurse mussten teilweise zusammengelegt werden. Daher hatten wir keinen Einblick in einen „ganz normalen“ Schulalltag.
Die Räume hatten eine gute technische Ausstattung, die die Lehrkräfte auch durchgehend benutzten. Eine Unterrichtsstunde dauert 55 Minuten, nach 2 Stunden gibt es 15 Minuten Pause. Beim Unterricht fällt auf, dass die Schüler_innen sehr still sind und die Lehrkräfte vor allem den Unterricht leiten. Es gibt nur selten Gruppenphasen.
Von 12:00 bis 13:30 Uhr findet die Mittagspause statt, in der fast alle Schüler_innen in der Mensa speisen. Dafür müssen alle Schüler_innen ihre Taschen in ihre Spinde räumen, die im überdachen Pausenbereich sind. Der Unterricht dauert täglich, außer mittwochs, bis 16:30 Uhr und selbst bei früherem Schulschluss, muss man trotzdem bis halb fünf warten. In dieser Zeit kann man in das CDI gehen. Das Centre de Documentation et d’Information könnte man bei uns mit einer Schülerbücherei vergleichen, die an Schultagen durchgehend geöffnet ist. Aber im Unterschied zu Deutschland gibt es in Surgères eine Bibliothekarin, die dort fest angestellt ist und das CDI leitet. Dort kann man sich selbstständig beschäftigen zum Beispiel mit Recherchearbeiten für Referate oder mit dem Erledigen von Hausaufgaben.
Wir stellten schnell fest, dass es an französischen Schulen viel mehr zusätzliches Personal gibt, als in Deutschland: Neben den Lehrkräften sorgen Aufsichtspersonen, Krankenschwestern und eine Verwaltung für den reibungslosen Ablauf im Alltag. Die Schule ist unterteilt in verschiedene, voneinander abgetrennte Gebäude, in denen verschiedene Fächergruppen unterrichtet werden. So haben beispielsweise die Naturwissenschaften oder Kunst und Musik ihre eigenen Gebäude. Wir persönlich fanden es sehr ansprechend, müssen jedoch sagen, dass viele Dinge in Deutschland anders sind und wir finden den freieren Unterricht in Deutschland besser.
La Rochelle - die alte Hafenstadt am Atlantik
Unseren dritten Tag verbrachten wir in La Rochelle. Als ersten Programmpunkt nahmen wir uns das dortige Aquarium vor. Mit Audioguides ausgestattet sammelten wir zahlreiche Informationen über die unterschiedlichen Tiere, die in den Weltmeeren leben. Das war sehr aufschlussreich, denn so lernten wir auch etwas über die lokale Austernzucht an der französischen Atlantikküste. In der Mittagspause stärkten wir uns bei einem gemeinsamen Picknick am Hafen und genossen die schöne Aussicht.
Um die Stadt besser kennenzulernen, wurde eine Selfie-Rallye organisiert. Wir traten in deutsch-französischen Équipes gegeneinander an und mussten acht Stationen in La Rochelle ansteuern und dazu Fragen beantworten. Dadurch bekamen wir einen ganz anderen Blick auf die Stadt. So war La Rochelle historisch gesehen ein wichtiger maritimer Stützpunkt für den Handel während der Zeit der französischen Könige.
Außerdem bestiegen wir einen Turm, der noch bis ins 19. Jahrhundert als Gefängnis diente. Besonders beeindruckend fanden wir die Inschriften und “Zeichnungen”, die die Gefangenen in die Mauern geritzt hatten. Am höchsten Punkt des Turmes angekommen, konnten wir La Rochelle von oben betrachten und sahen den Hafen mit sehr vielen Booten und kleinen Schiffen.
Am Nachmittag hatten wir dann Freizeit, die wir in Kleingruppen verbrachten, um in Ruhe die Innenstadt zu erkunden oder sogar das ein oder andere Geschäft zum Shopping zu nutzen. Wir stellten bei unserem Bummel fest, dass es in La Rochelle sehr viele Cafés und Buchhandlungen gibt. Überdies hatten wir die Gelegenheit in einer Eisdiele das leckerste Eis der Region zu essen. Quel régal!
Am Abend erwartete uns noch eine kleine Besonderheit. Unsere Gastfamilien hatten in einem Schulraum ein gallisches Buffet vorbereitet und alles liebevoll dekoriert. An der reich gedeckten Tafel konnten wir unterschiedliche Leckereien kosten und lernten somit auch viele Spezialitäten der französischen Küche kennen. Während die Erwachsenen die Gelegenheit für einen Plausch nutzten, gingen wir auf den schuleigenen Bolzplatz, um in deutsch-französischen Mannschaften gegeneinander Fußball zu spielen. Das hatte großen Spaß gemacht. Dank der Rallye am Mittag und dem Match konnten wir so zu einer schönen Gemeinschaft heranwachsen.
Einfach mal ausspannen? Das Wochenende in Surgères
Das Wochenende hatte jede_r von uns ganz individuell mit den Gastfamilien gestaltet. So waren manche von uns im Freizeitpark Puy du Fou, haben die Île d’Oléron besucht oder waren an einem anderen der vielen Strände an der nahe gelegenen Küste. Doch am Samstag trafen sich viele von uns auf dem Festi’Pois, einem Kunst- und Kulturfest in Surgères im Rahmen der Woche gegen Rassismus. In einem großen Zelt traten Akrobaten, Clowns und Musikgruppen auf. Eine aus unserer Truppe hatte dabei so große Lust verspürt, selbst wieder Gitarre zu spielen, dass Herr Links ihr kurzerhand von einem Künstler das Instrument besorgt hatte. Sogleich wurde sie eingeladen, selbst etwas auf der Bühne zu spielen und so kam es, dass eine Austauschschülerin vom EvB ganz plötzlich auf einer französischen Bühne stand und ein Lied auf Deutsch interpretierte. Das machte uns alle mächtig stolz und die französischen Gäste waren ganz begeistert von ihrer Darbietung.
Iah, iah, iah!
Ein Besuch bei den Eseln und eine Bootstour im Sumpfgebiet
Am vorletzten Tag vor unserer Abfahrt waren wir auf einem Eselgestüt, das die fast ausgestorbene Eselrasse Baudet du Poitou züchten, und im Anschluss machten wir eine Bootstour durch das Marais Poitevin. Auf Deutsch nennt man es auch „das grüne Venedig“. Die Tour auf dem Gestüt war sehr eindrucksvoll. Wir durften sogar auf eine Koppel gehen, auf der erst wenige Wochen alte Fohlen waren. Diese und die Mutterstuten durften wir sogar streicheln. Davor wurde uns aber erklärt, wie man früher züchtete. Und zwar wurden Kaltblutstuten mit Eseln gekreuzt. Dadurch entstanden dann die Maultiere, die die wichtigsten Nutztiere in den vergangenen Jahrhunderten waren. Nachdem wir uns das ganze Gelände angeschaut hatten, durften wir zwei Esel durch einen Hindernisparcours führen. Die beiden Wallache hießen Edgar und Martin.
In Frankreich ist die Namensgebung so geregelt, dass für jedes Geburtsjahr ein anderer Anfangsbuchstabe aus dem Alphabet ausgewählt wird. 2019 ist zum Beispiel das „J“-Jahr und die Fohlen bekommen Namen wie zum Beispiel Jazz, Joséphine usw. Als Besucher darf man Namensvorschläge für die Neugeborenen machen. Und wer weiß, vielleicht bekommt in diesem Jahr sogar eines der neugeborenen Fohlen einen der vor uns vorgeschlagenen Namen?
Daraufhin sind wir dann mit dem Bus zum Marais Poitevin gefahren. Wir haben uns dort in drei Gruppen aufgeteilt und sind durch die Kanäle gefahren. Das Boot wurde mit Paddeln angetrieben. Auf der Fahrt haben wir ein kleines Reh und sogar eine Nutria gesehen. Der Chemieunterricht kam dabei auch nicht zu kurz! So wurde uns gezeigt, dass sich im Flussbett Methangas bildet. Wenn man den Boden aufwirbelt und dann ein Feuerzeug über der Wasseroberfläche anzündet, entsteht eine Flamme. Man hat also den Eindruck, als ob das Wasser brennen würde. Dieses Methangas entsteht dadurch, dass im Herbst die Bäume ihr Laub verlieren, welches dann auf das Flussbett sinkt. Der daraus entstehende Verrottungsprozess produziert dieses entzündliche Gas. Das war sehr spannend. Am Ende haben wir noch ein Bootsrennen mit einer anderen Gruppe gemacht, bei dem Deutsche sowie Französinnen und Franzosen gut zusammengearbeitet haben. Am Ende hat unser Boot sogar gewonnen. Das war voll cool! Wieder an Land haben wir Spezialitäten aus der Region gegessen und Apfelsaft getrunken. Eine davon war ein großer runder Butterkeks. Alles war sehr lecker. Danach hatten wir ein bisschen Freizeit und fuhren schließlich wieder zurück zur Schule. Den restlichen Tag haben wir zusammen mit unseren Gastfamilien verbracht. Insgesamt war der Tag sehr gelungen und es hat großen Spaß gemacht.
Au revoir, les amis! Die Rückkehr nach Wipperfürth
Am letzten Tag hieß es dann gegen 09:00 Uhr Abschied zu nehmen. Unsere Austauschpartner_innen sowie ihre Eltern begleiteten uns zum Zug und wir waren alle ein wenig traurig, dass die Woche schon vorüber war. Auch wenn wir uns schon wieder sehr auf zu Hause freuten, hatten wir doch sehr viel Spaß in Frankreich und kehrten voll bepackt mit neuen Erinnerungen und Erfahrungen nach Wipperfürth zurück.
Insgesamt blicken wir auf einen tollen Austausch zurück, der im Dezember 2018 mit dem Besuch unserer Austauschpartner_innen im winterlichen Oberbergischen begann und im April 2019 in der Nähe der französischen Atlantikküste fortgesetzt wurde. Trotz mancher Kommunikationsschwierigkeiten haben wir viel über Frankreich, die Kultur und die Sprache gelernt und sind froh, ja sogar ein wenig stolz, Teil dieser spannenden Reise gewesen zu sein.
Text:
- Helena Burgmer
- Pia Dörpinghaus
- Julia Flosbach
- Sinja Henrich
- Matilda Hinz
- Finja Junker
- Marie Kanitz
- Johanna Koch
- Benny Kosseda
- Mara Sünger
- Emily Schmitz
- Pauline Mutz
- Mascha Nitzling
- Frau Rembold
- Herr Dr. Links